deutsch/ englisch, mit texten von josé esteban munoz, renate lorenz
Normal Love wird die Wirkung von Macht und Herrschaft in den alltäglichen Praxen am Arbeitsplatz, in der täglich wiederholten Zuweisung von Hierarchien und Arbeitsteilungen untersuchen. Dabei soll auch gezeigt werden, welche Position, welche Konvention oder welche Institution einem Individuum die Macht verleiht, eine solche Zuweisung auszusprechen, die auch 'gehört' wird. Wie und mithilfe welcher machtvollen Positionen, Konventionen und Institutionen wird ein Individuum am Arbeitsplatz als 'Frau', als 'heterosexuelle Frau', als 'Staatsbürgerin' adressiert und wie wirkt sich diese Adressierung sozial aus?
Ein solcher Zugang soll ermöglichen, Kategorien wie 'Frau', 'heterosexuell/homosexuell', 'deutsch/ AusländerIn-Sein' nicht voraussetzen. Vielmehr wollen wir zeigen, wie sie am Arbeitsplatz gerade mithilfe der alltäglichen Wiederholungen re/produziert und hierarchisch angeordnet werden. In unserem Vorwort zu Reproduktionskonten fälschen! schlugen wir aus queer-feministischer Perspektive eine bestimmte Sichtweise auf diese Praxen vor, nämlich die der 'sexuellen Arbeit'. Sexualität verstehen wir dabei als das zentrale Set von sozialen Regeln und Praxen, durch das Subjekte miteinander in Kontakt treten und machtvolle Konventionen reproduzieren. Das Buch normal love wird sich zentral mit dem Begiff der 'Prekarisierung' beschäftigen und zeigen, wie Arbeitsverhältnisse 'prekär' werden. Dabei diskutieren wir die Praxen/ Überlegungen zu 'Prekarität', die die Gruppe 'precarias a la deriva' aus Madrid verfolgt sowie das Konzept der 'Prekarität', das den sozialen Widerstand der französischen Gruppe 'précaires associés de Paris' begleitet. Ähnlich wie die beiden genannten Gruppen, die wir in normal love mit Interviews und einer Darstellung ihrer aktivistischen Formen dokumentieren wollen, gehen wir davon aus, dass aus queerfeministischer Sicht eine Auffassung von Prekarität zu kurz greift, die sich allein auf fehlende Arbeitsverträge, kurze Arbeitsverhältnisse oder nicht existenzsichernde Bezahlung stützt. Macht im Arbeitsbereich, so unsere These, wird gegenwärtig vor allem wirksam, indem häufig verschiedene berufliche, geschlechtliche, sexuelle und ethnisierte Positionen zugleich oder nacheinander eingenommen werden müssen, die sozial hoch widersprüchlich sind. Das gilt etwa für eine Programmiererin, die ihre Arbeit als 'eine der Jungs' leisten soll und zugleich 'als Frau' heterosexuelle Anrufungen verhandeln muss. Oder es gilt für die Arbeitssuchende, die in einem Moment gemäss Hartz IV als 'Fürsorgeempfänger' und WG-Bewohnerin adressiert wird und sich im nächsten um eine hochqualifizierte Stelle als feministische Wissenschaftlerin bewirbt. Oder für die Intellektuelle, die nach Deutschland migriert und hier etwa im Haushalt arbeitet. Die Verallgemeinerung solcher Verfielfältigungen und Widersprüchlichkeiten möglicher Subjektivierungen im Arbeitsbereich möchten wir als 'Prekarität' bezeichnen. Kontrolle über diese Gleichzeitigkeiten und Durchquerungen wird dabei zugleich gefordert und entzogen. Wir verlassen mit dieser Darstellung eine Perspektive, die Prekarität als Gegenteil eines nach wie vor politisch richtungsweisenden Normalarbeitsverhältnisses versteht. 'Prekär' hiesse stattdessen die Schwierigkeit, diesen Unvereinbarkeiten nachzukommen und soziale Positionen unter Ausblendung sozialer Zwänge und Hierarchien zu durchqueren. 'Sexuelle Arbeit' hiessen soziale Praxen, die dazu eingesetzt werden.